FRÜHER ODER SPÄTER

Eine Ausstellung mit Werken von Menno Aden
Michelle Alperin, Joe Neave und Christine Weber
/ Kuratiert von Alekos Hofstetter

 


Christine Weber, „Theorie und Ordnung“, 2015 (Detail)

 

Eröffnung: Fr 20.10.2017 • 19 Uhr
Ausstellung: 21.10. – 05.11. / Mi – Sa • 15 – 19 Uhr
Öffnungszeiten während der Schöneberger Art:
Sa 04.11. • 14 – 20 Uhr // So 05.11. • 12 – 18 Uhr

 

Früher oder später greift die Unordnung an. Sie lauert immer und überall! Wir wissen aber auch, dass das Ziel der Menschheit über Zeit und Raum zu herrschen, durchaus Realitäten von Ordnung, Disziplin und Sauberkeit schaffen kann, die einem das Grausen und Grauen lehren. Beispielhaft ist die Konstruktion imaginärer Ordnung durch die bürgerliche Rhetorik der Eindeutigkeit. Die Ausstellung FRÜHER ODER SPÄTER mit Werken der Berliner Künstler Menno Aden, Michelle Alperin, Joe Neave und Christine Weber will Relationen zwischen Ordnung und Unordnung sichtbar machen.

Angesichts der angreifenden Unordnung auch im Alltag dürfen wir uns trösten, denn aufzuräumen bedeutet nicht unbedingt, dass Ordnung geschaffen wird. Mit der Waffe der Ironie zeigt uns die Ausstellung in der ZWITSCHERMASCHINE auch warum. Sobald man den Versuch startet, durch Aufräumen Ordnung zu schaffen, kann etwas zerstört werden, dass bereits geordnet war. Kurzum das Bemühen zu ordnen, kann sich durchaus in das scheinbare Gegenteil verkehren und die Unübersichtlichkeit steigern. Natürlich kann man Ordnung und Unordnung als Ausdrücke desselben Prinzips und nicht als Gegensätze begreifen, aber der interessanter Ansatz, der sich dem Besucher der Ausstellung FRÜHER ODER SPÄTER bietet, ist, wer denn überhaupt die ordnende Kraft in der Wahrnehmung von Kunst repräsentiert. Sind es die Künstler, die zwischen Ordnung und Unordnung eindeutig differenzieren können und somit ihre gestalterische Macht betätigen, oder hat die Wahrnehmung der Betrachtenden die Deutungshoheit, welche entscheidet zwischen geordnetem und ungeordnetem Kontext?

Die Intuition einer notwendigen Abgeschlossenheit der eigenen Ordnung ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig, und mit ihr kommt jeweils auch, die wie auch immer geartete Konstruktion einer Bedrohung mit ins Spiel. Die Ausstellung FRÜHER ODER SPÄTER versucht Antworten zu finden, was dies für unsere Wahrnehmung bedeutet. Auf unterschiedlichen Ebenen setzen sich Menno Aden, Michelle Alperin, Joe Neave und Christine Weber mit der Rolle der Montage in den Medien Film und Fotografie auseinander. Deswegen lässt sich die Ausstellung auch als Kommentar zu Funktionsweisen des menschlichen Bewusstseins lesen. Unser Bewusstsein ist angewiesen auf einen Montageeffekt. Es gibt kein ununterbrochenes Bewusstsein, nur ein zusammengefügtes. Und diese Zusammenfügungen können freiwillig oder unfreiwillig sein. In diesem Zusammenhang spricht der Philosoph Jean-Francois Lyotard vom „Verschwinden der großen Erzählungen“. Lyotard verdeutlicht uns, dass wir schon in der Zeit der Mikro-Erzählungen, der Kunst des Fragments leben. Der Übergang von dem Gedanken einer Ordnung der Kontinuität und Eindeutigkeit zu Begriffen von Fragmentierung und Unordnung stellt für die Kunst eine Herausforderung dar, welche in der Ausstellung unorthodox diskutiert wird.

 

Christine Weber
Diese Fähigkeit zur Imagination und neuen Sicht auf die Realität teilen auch die Bilder von Christine Weber. Die kinemato­grafische Malweise ihrer Gemälde ist einem Flackern des Sichtbaren unter­worfen, das die wiedergegebene Szenerie wie mit dem Lichtkegel eines Projektors erfasst, sie gleichsam aufzulösen scheint und dennoch präzise auf der Leinwand fixiert. Die projektive Kraft des Kinos wird hier durch die Malerei in eine neue Welt der Anschauung transformiert. Wo im Zuschauerraum erst durch den Film apparat das Licht auf die Leinwand trifft, scheint es in den Bildern sein. Jens Meinrenken, 2014
http://www.christineweber.info

 


Menno Aden, Untitled (Composition 1 – 4), 2016

 

Menno Aden

Die Arbeiten der Serie Composition wirken auf den ersten Blick wie konstruktivistische Kompositionen von leicht gegeneinander verschobenen geometrischen Formen. Andere Arbeiten erinnern an die sachlichen Farbkompositionen des Hard Edge mit ihren schablonenhaften, flächigen, geometrischen Formen mit harten Kanten und scharf gegeneinander abgegrenztem Farbauftrag, “die sich keiner auf den ersten Blick sichtbaren Kompositionslehre bedienen“ (Wikipedia: Hard Edge). Was zunächst anmutet wie abstrakte Zeichnungen oder Collagen, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als – Achtung, Spoileralarm! – lotrecht abfotografierte Segmente eines Turnhallenbodens. Katrin Seemann, Holm Friebe (2017)
http://mennoaden.com

 


Michelle Alperin, Peripheral Spirits, 2011/2017, Video, ohne Ton, 6:45 Minuten, Loop

 

Michelle Alperin
Peripheral Spirits ist ein einkanaliges Videowerk, das aus einer mehrkanaligen Installation hervorgegangen ist. Wenn die schwarze Gestalt (Tänzer und Choreograph Günther Wilhelm) im schummrigen Raum umherhuscht, sticht sie in den hellen Bereichen als Silhouette hervor und verschwindet wiederum in den Schatten. Ein Phänomen, das einen an die Erfahrung erinnert, etwas aus den Augenwinkeln zu erhaschen, nur um unseren Kopf zu drehen und zu erkennen, dass wir eigentlich allein sind. Die Handlung kann auch als Vorstellung dessen gesehen werden, was in unseren Lebensräumen passiert, während wir nicht anwesend sind. Die meisten von uns mögen die Erfahrung gemacht haben, nach Hause zu kommen und das Gefühl zu haben, dass jemand da gewesen ist oder dass unser Besitz in irgendeiner Weise angefasst worden ist. Hier wird eine mögliche Erklärung gegeben, wer oder was für solcherart aufkommende Gefühle verantwortlich sein mag. So untersucht das Video, was sichtbar ist und was nicht – sowohl im buchstäblichen Sinne hinsichtlich dessen, was wir im Videobild tatsächlich sehen und nicht sehen können, als auch im übertragenen Sinne hinsichtlich unseres immer weniger als perfekten Verstehens unserer Wahrnehmung und Erfahrungen.
https://michellealperin.com

 


Joe Neave, Welcome Home, 2016, 29.7 x 21 cm, Tinte auf Papier

 

Joe Neave
Mit unverkennbar britischem Humor und zeichnerischem Können par excellence schafft Joe Neave (*1974 in East Yorkshire, England) satirische Bildwelten, die sich inhaltlich an stereotypen kulturellen Konvention bedienen, um gesellschaftliche Vor- und Einstellungen sowie Ressentiments vorzuführen und zudem seine eigenen Manien selbstironisch und sanft spottend darstellen. In ihrer fast fanatischen Liebe zum Detail ähneln die Zeichnungen von Neave oberflächlich betrachtet oft fröhlichen Kinderbüchern – eine Ähnlichkeit, die aber schnell verblasst, wenn die Zuschauer entdecken, dass Neave Elemente kombiniert, die subtil gesehen aus einer eher freizügigeren Bildkanon stammen. Mit Buntstift, Aquarell und Tinte versteht Neave das Alltägliche, das hintersinnig Banale, das Groteske und vor allem überkommende geschlechtliche Rollenbilder mit frappierender Eindeutigkeit in seine bizarren und anarchischen Bildwelten zu verwandeln. Neave bedient sich einer Ästhetik, die auf Darstellung der letzten 150 Jahre zurückgeht und sich zwischen Buchillustration, Comic, Werbeanzeigen und Pin Ups der 40er und 50er Jahre bewegt. In manchen Zeichnungen unterstreicht Neave die Pointe verbal durch textliche Zusätze, die seine „Geschichten“ teils derbe, teils mit frecher Ironie fortführen und sprachlich zuzuspitzen. … Inci Yilmaz, 2017